Thesen und Vorschläge zur Pflege des Plattdeutschen

(Verfaßt für das Symposium „Zehn Jahre Europäische Sprachencharta in Niedersachsen“ am 4. September 2009 an der Universität Oldenburg -- veranstaltet von dieser Universität in Kooperation mit dem Niedersächsischen Heimatbund und der Oldenburgischen und der Ostfriesischen Landschaft. Kontakt: Prof. Dr. Jörg Peters, Germanistisches Institut der Universität Oldenburg)

 


Bewahrung der Selbständigkeit des Plattdeutschen gegenüber dem Hochdeutschen.

 

(Der Leser möge eine gewisse Redundanz [= Wiederholung von Gedanken] in diesem Papier bitte entschuldigen.)

 

Thesen und Vorschläge:

 

(1) Es bringt für den Erhalt des Plattdeutschen nichts, in wissenschaftlichen Untersuchungen immer wieder den betrüblichen Ist-Zustand (= Abnahme der Plattdeutschsprecher) festzustellen. Wir brauchen dynamische Konzepte und Maßnahmen, die zu einer Zunahme des Gebrauchs der plattdeutschen Sprache führen – und zu einer Verbesserung der Qualität des Platt (das heißt: zu einer größeren „Reinheit“ des verwendeten Wortschatzes, will sagen: Vermeidung unnötiger hochdeutscher Wörter).


(2) Plattdeutsche Theaterstücke (aber auch plattdeutsche Radiosendungen) kranken oft daran, dass in ihnen zu viele hochdeutsche Wörter und Wendungen zu hören sind. Diese Stücke sollten von unnötigen hochdeutschen Wörtern und Wendungen gereinigt werden. Um dies zu bewerkstelligen, sollten die plattdeutschen Theatergruppen Kontakt zu Senioren ihrer Gemeinde pflegen und diese nach den alten und echten plattdeutschen Ausdrücken befragen.

Dies würde auch den Kontakt zwischen den Generationen fördern. Und die Senioren würden eine interessante Aufgabe erhalten, bei der sie mit ihrem Wissen glänzen könnten. (Dem Trübsinn und der Langeweile, unter denen manche Senioren leiden, könnte dadurch entgegengewirkt werden.)

Daneben aber sollten die Theatergruppen sich auch selber – anhand vorbildlicher plattdeutscher Texte, plattdeutscher Wörterbücher etc. – um eine sprachliche Optimierung der Texte ihrer Theaterstücke bemühen. (Man sollte stets bedenken, dass solche plattdeutschen Theaterstücke – aber auch plattdeutsche Radiosendungen – eine Vorbildfunktion und eine „Moderatorfunktion“ haben.)


(3) Bei den Dachorganisationen der regionalen plattdeutschen Theatergruppen (aber auch bei den Regionalsendern, die plattdeutsche Sendungen bringen) sollten regelmäßig tagende Arbeitsgruppen vorhanden sein, die sich um eine Optimierung des verwendeten Platt bemühen. Dabei ist eine Liebe zum sprachlichen Detail, zum einzelnen plattdeutschen Wort und zur sprachlichen Nuance gefragt – bis hin zur „Detailbesessenheit“.


(4) Die holländische Sprache kann – in einem gewissen Ausmaß – als eine Fundgrube für „fehlende“ plattdeutsche Wörter und Wendungen dienen. Wer sich um eine Verbesserung des Plattdeutschen bemüht, sollte daher

auch deutsch-niederländische Wörterbücher zu Rate ziehen. Man kann eventuell auch einmal im Jiddischen oder im Rotwelschen nach passenden Wörtern suchen. These: Ein Plattdeutsch, das durch Wörter aus (ganz bestimmten) andern Sprachen angereichert worden ist, klingt besser als ein Mischmasch von Hochdeutsch und Plattdeutsch.


(5) Der Leser merkt sicher schon, dass dieses Papier dafür plädiert, die plattdeutsche Sprache möglichst eigenständig (in Wortschatz etc.) gegenüber dem Hochdeutschen zu bewahren.


(6) Das puristische Bemühen um ein möglichst „reines“ Platt (und das heißt: ein von hochdeutschen Ausdrücken so weit wie möglich befreites Platt) wird natürlich immer auch eine „Gratwanderung“ sein.


(7) Hochdeutsche Wörter (= Substantive) kann man oft auf Plattdeutsch verbal umschreiben und sie so vermeiden. Das Plattdeutsche ist überhaupt den Substantiven und dem Substantivieren von Verben ziemlich abhold. Es neigt eher zumverbalen Ausdruck.


(8) Für manche hochdeutschen Wörter kann man sich plattdeutsche (und teils humorvolle) Ersatzwörter ausdenken. Zum Beispiel kann man für Staubsauger „Huulbessen“ (= Heulbesen) sagen. Was das Handy anbetrifft, so könnte man dafür das Wort „Knüppel“ verwenden (erstens wegen der Form des Handys und zweitens, weil es ja die Menschen miteinander „verknüppt“ = verbindet). Den Fernseher kann man als „Kiekschapp“ oder „Kiekkasten“ bezeichnen, das Radio als „Proatmölle“ (= Redemühle).

Man könnte auch in Fällen, wo ein plattdeutschesWort „fehlt“, ein Wort aus dem Niederländischen in die plattdeutsche Sprache einführen, zum Beispiel für „Kunde“ das holländische Wort „Klant“. Für „bitteschön“ haben die Holländer den schönen Ausdruck „as`t U bliewt“ (= wenn es Ihnen beliebt).

Oft ist es auch so, dass in einer bestimmten Region für ein bestimmtes hochdeutsches Wort ein plattdeutsches Wort „fehlt“, dass aber eine andere Region durchaus ein plattdeutsches Wort hierfür hat. Dann wäre zu empfehlen, dass dieses plattdeutsche Wort in die andere Region „importiert“ wird.


(9) Vermeidung hochdeutscher Wörter sollte für Plattsprecher oberstes Gesetz sein. Und zwar deswegen, weil das Platt harmonischer und besser klingt, wenn es so weit wie möglich von hochdeutschen Bestandteilen befreit ist. (Sprachlicher „Mischmasch“ klingt nicht schön.)


(10) Deutsche Plattsprecher sollten den Kontakt zu niederländischen Dialektsprechern suchen und pflegen, um von deren Wortschatz zu profitieren – aber auch von deren sehr weit entwickelten Methoden der Dialektpflege.


(11) Die plattdeutsche Sprache sollte in der Altenpflege und in Krankenhäusern therapeutisch eingesetzt werden. In der Ausbildung zur Altenpflegerin (bzw. zum Altenpfleger) sollte auch das Fach Plattdeutsch auf dem Lehrplan stehen. Germanisten mit dem Nebenfach „Niederdeutsche Sprache und Literatur“ sollten die Möglichkeit erhalten, als Dozenten für Plattdeutsch an Altenpflegeschulen und Krankenpflegeschulen eingesetzt zu werden. Man sollte also Studenten, die sich auf das Plattdeutsche spezialisieren, berufliche Laufbahnen eröffnen. Die Ausbildung der erwähnten Dozenten sollte von staatlichen Stellen beziehungsweise von Heimatverbänden finanziell gefördert werden.


(12) Das Plattdeutsch im Radio lässt in seiner Qualität oft sehr zu wünschen übrig. (Man hört viel zu viele hochdeutsche Wörter.) Man kann hier von einem kompromißlerischen „Medien-Platt“ sprechen. Auch ist das Platt einer bestimmten Region (Hamburg, Hannover, Ostfriesland) im Radio

beherrschend. Es sollten auch die Plattsprecher anderer Regionen zu Wort kommen.

Die Moderatoren sollten bei bestimmten hochdeutschen Wörtern, die ihr Interviewpartner verwendet, auch mal die Frage stellen: „Gibt es denn dafür nicht ein plattdeutsches Wort?“. Zum Beispiel wenn er das Wort „quer“ verwendet, sollte er darauf hingewiesen werden, dass es für „quer“ das plattdeutsche Wort „dwass“ (oder „dwars“) gibt.

Auch sollten die Moderatoren ihre Studiogäste bereits vor der Sendung ermahnen, darauf zu achten, dass unnötige hochdeutsche Wörter möglichst zu vermeiden sind. „Reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist“ – gut und schön; aber man sollte immer auch um ein qualitätvolles Platt bemüht sein. Die Moderatoren sollten dabei einen „puristischen“ Ansatz (= Vermeidung hochdeutscher Wörter) verfolgen.


(13) Sehr wirksame und mächtige Hilfsmittel für eine Wiederbelebung der plattdeutschen Sprache wären meines Erachtens: wettkampfmäßige Fragespiele („Quiz“) zur plattdeutschen Sprache – zum Beispiel nach dem Schema: „Wer kennt die meisten plattdeutschen Wörter, Redewendungen, Sprüche etc.?“ (bis hin zu alten Ausdrücken und bereits vergessenen Wörtern). Es wäre auch ein sprachliches Wettkampfspiel denkbar nach dem Motto: „Wer kann am längsten in möglichst reinem Platt reden?“ (das heißt: unter Verwendung möglichst weniger hochdeutscher Wörter).

Man kann sich die verschiedensten Wettkampfspiele solcher Art ausdenken. Sie sollten dann im Fernsehen oder im Radio unter möglichst großer Zuhörerbeteiligung inszeniert werden.

Solche Sendungen könnten „ein Renner“ werden, genauso beliebt wie „Bingo“.


(14) Plattdeutsche Theatergruppen sollten ihren Zuhörern wortschatzmäßig durchaus einiges zutrauen. Das heißt, sie sollten nicht ständig den Weg des geringsten Widerstandes (= Rückgriff auf das hochdeutsche Wort) gehen


(15) In plattdeutschen Theaterstücken wird oft zu schnell gesprochen, und es steht allzu sehr die Handlung im Vordergrund. Die Schauspieler

sollten langsamer sprechen und die Sprache selbst mehr zur Geltung bringen. Die plattdeutsche Sprache sollte meines Erachtens in solchen Theaterstücken durchaus „zelebriert“ werden – in etwa so, wie im klassischen französischen Theater (Corneille, Racine, Molière) die französische Sprache „zelebriert“ worden ist.


(16) Die plattdeutschen Theaterstücke sind oft zu sehr auf Situationskomik aus, auf eine Kette von burlesken Situationen (wobei dann die Handlung, der „Plot“ der Geschichte, oft rätselhaft bleibt). Man sollte mehr auf Spannung und Tiefgang setzen. Auch sollte man qualitätsmäßig hoch stehende (hochdeutsche) Stücke ins Plattdeutsche übersetzen


(17) Wenn man von Plattdeutsch oder der plattdeutschen Sprache redet, so sollte man dabei immer bedenken, dass dies keine fest umrissene Größe ist. Denn abgesehen von ihrer regionalen Unterschiedlichkeit ist sie von einem zunehmenden Schwund ihrer Wortsubstanz (durch Verlust an das Hochdeutsche) in ihrem Bestand bedroht. Man kann dies auch als eine fortschreitende „Ausdünnung“ oder „Verwässerung“ des Plattdeutschen bezeichnen.


(18) Es greift daher zu kurz, wenn man sich nur bemüht, die Zahl der Plattsprecher und die Häufigkeit des Plattsprechens (in der Schule oder anderswo) zu erhöhen. Gleichzeitig muß man sich auch um eine Verbesserung der Qualität des Platt bemühen. Sowohl Quantität als auch Qualität müssen erhöht werden.


(19) Studenten des Faches Niederdeutsch an den Universitäten sollten gezielt zur sprachlichen Betreuung von plattdeutschen Theatergruppen eingesetzt werden – dies auch um diesen Studenten eine berufliche Perspektive zu bieten. (Nebenbei gesagt: Man sollte sie auch in vielen anderen Bereichen einsetzen, zum Beispiel in der Altenpflege oder anSchulen.)

Dieser Einsatz der Studenten sollte von verschiedenen Stellen finanziell und ideell gefördert werden. Man darf diese jungen Leute, die sich dankenswerterweise – als Teil ihres Germanistikstudiums – mit der niederdeutschen Sprache beschäftigen, nicht „im Regen stehen lassen“. Ihr Potenzial an Wissen und Fähigkeiten sollte genutzt werden. -- Schade, wenn dieses Potenzial brachliegt! Eine sinnvolle berufliche Anwendung des Gelernten würde diesen jungen Leuten Selbstbewusstsein verleihen und das Gefühl, einen „guten Job“ zu machen.

Offizielle Stellen sollten sich bemühen, solchen Plattdeutsch-Spezialisten attraktive berufliche Möglichkeiten zu eröffnen – und dadurch zugleich deren „Sozialprestige“ steigern.


(20) Die oben erwähnte Ausdünnung und Verwässerung der plattdeutschen Sprache (durch fortschreitenden Verlust ihrer Wortsubstanz an das Hochdeutsche) zeigt sich nicht nur im Verlust von Wörtern, Redewendungen und Sprüchen, sondern oft in kleinsten Nuancen von Wortgebrauch und Aussprache. -- Beispiel: Das Wort „Kutsche“ wird von korrekten Plattdeutschsprechern in der Grafschaft Bentheim – in Anlehnung an d

as entsprechende niederländische Wort -- als „Kuutsch-che“ ausgesprochen. Es ist folglich ein Verlust und ein Fehler, wenn man dieses Wort als Grafschafter Plattsprecher genau wie im Hochdeutschen ausspricht.)

Es ist also klar, dass man beim Kampf um den Erhalt des Plattdeutschen nicht nur um den Erhalt einzelner Wörter kämpfen muß, sondern auch um den Erhalt der kleinsten plattdeutschen Eigentümlichkeiten von Grammatik, Aussprache etc. Hier ist also durchaus eine „Detailbesessenheit“ erforderlich.


(21) Wenn man zwischen Wörtern wählen kann, dann sollte man natürlich dasjenige wählen, das „plattdeutscher“ klingt. So klingt zum Beispiel „Begraffnis“ plattdeutscher als „Beerdigung“.

Das plattdeutsche Wort für hochdeutsch „Loch“ lautet im Grafschafter Platt: „Gatt“. Manche sagen aber auch „Lock“. Das Wort „Gatt“ ist aber nun vorzuziehen, weil es dem Hochdeutschen unähnlicher ist.

Es lässt sich überhaupt ein „Gesetz der möglichst großen Unähnlichkeit zum Hochdeutschen“ aufstellen Dieses „Gesetz“ besagt: Man sollte als Plattsprecher so sprechen, dass sich das Platt vom Hochdeutschen so weit wie möglich unterscheidet.


(22) Ein Bemühen um die Erhaltung der plattdeutschen Sprache ohne die gleichzeitige Bemühung um eine qualitätsmäßige Verbesserung dieser Sprache wäre meines Erachtens ein defizitärer Ansatz. Denn wenn „Plattdeutsch“ schließlich nur nochdarin besteht, dass man (als Folge fortschreitender Ausdünnung) „wat“ statt „was“ und „dat“ statt „das“ sagt (ich übertreibe hier mal) und alle andern Plattdeutsch-Charakteristika verschwunden sind, dann kann man auf das Platt besser gleich ganz verzichten. Aber auch ein Rückgang plattdeutscher Wörter (in der plattdeutschen Sprache) auf fünfzig, dreißig oder zwanzig Prozent wäre

schon schlimm genug!


(23) Logischerweise ist es besonders störend, wenn im Plattdeutschen solche (hochdeutschen) Wörter auftauchen, die die hochdeutsche Lautverschiebung mitgemacht haben (zum Beispiel: Zug, Schatz, schätzen, Fach, flach). So ist es zum Beispiel eine schlimme Regelverletzung, wenn man statt „sick“ das hochdeutsche „sich“ verwendet. (Ich hörte einmal eine „plattdeutsche“ Predigt, in der ständig „sich“ gesagt wurde!) Wörter, die die hochdeutsche Lautverschiebung mitgemacht haben, sollten für Plattdeutschsprecher „tabu“ sein. Allerdings ist es schwer, sie vollständig zu vermeiden.

 

Ergänzende Thesen

 

Im Kontrast zu dem in diesem Papier bislang formulierten puristischen Ansatz möchte ich hier einen zusätzlichen Vorschlag machen, der dem bisher Gesagten zu widersprechen scheint.

Dabei gehe ich von der Tatsache aus, daß sich das Plattdeutsche auf dem Rückzug befindet und daß starke Unterschiede in der Beherrschung dieser Sprache bestehen.

Zur Verringerung dieser Unterschiede schlage ich vor, daß die erfahrenen Plattsprecher unter gewissen Umständen einen „situativ-dosierten“ Gebrauch des Plattdeutschen praktizieren.

Was meine ich damit? -- Ich meine damit, daß sich für die erfahrenen Plattsprecher auch im Kontakt mit Nicht-Plattsprechern (beziehungsweise mit mittelmäßig Platt Sprechenden, beziehungsweise mit Plattdeutsch nur Verstehenden, aber es nicht Sprechenden) immer wieder einmal die Gelegenheit bietet (und dann auch genutzt werden sollte), einen Satz in Plattdeutsch oder ein plattdeutsches Wort, eine plattdeutsche Redewendung etc. fallen zu lassen. Zum Beispiel könnte eine Mutter ihre Tochter an einem kalten Wintertag ermahnen: „Wicht, treck di ne dicke Jasse an. Et fröss buten.“ – obwohl sie ansonsten mit der Tochter Hochdeutsch redet.

Ich denke auch an einen Rechtsanwalt, der bei einer Vernissage eine Bekannte mit dem Satz begrüßte: „Johanne, du ock hier?!“ – Beide sprachen ansonsten hochdeutsch miteinander.

Ich meine, es ergibt sich für Plattdeutschsprecher auch in der Gegenwart von Nicht-Plattproatern (beziehungsweise nur halb mit dem Plattdeutsch vertrauten Leuten) immer wieder einmal die Gelegenheit, in spielerisch-geistreicher, vielleicht auch humorvoll-ironischer Weise einiges auf Platt zu sagen.

Dies gilt vor allem für die Alltagssprache und den so genannten „Small-Talk“.

Man kann aber auch – ganz allgemein – flexibel sein und den Plattdeutsch-

Anteil entsprechend der intellektuellen Kompliziertheit des Gesprächs dosieren. Mit andern Worten: Man kann bei anspruchsvollen Themen die hochdeutsche Sprache verwenden und dann, wenn sich das Gespräch wieder einfacheren Gegenständen zuwendet, zum Plattdeutschen zurückkehren. Auch Sentenzen und Redensarten in Platt, die man seit der Kindheit parat hat, sollte man in hochdeutsche Gespräche bei passender Gelegenheit einflechten. (Es ist klar, daß hierbei Fingerspitzengefühl und Sensibilität für das Machbare gefragt sind.)

 

Betonen möchte ich, daß das „situativ-dosierte“ Platt nicht mit dem „ausgedünnten“ Platt, d.h. mit jenem sprachlichen „Mischmasch“ von Plattdeutsch und Hochdeutsch, den man leider allzu oft hört, verwechselt werden darf.

Ich meine, daß solch eine „situativ-dosierte“ Anwendung des Plattdeutschen

eine hervorragende Chance und eine Methode bieten würde, die Kenntnis des Plattdeutschen bei der jüngeren Generation und bei den Hochdeutsch-Sprechern zu erhalten. Auch kann dies einem Gespräch eine humorvolle Würze geben, zum Beispiel wenn man typisch plattdeutsche Wörter und Wendungen verwendet (etwa „Kasseläin“ für Gastwirt oder „Doar seh ik nen Spook van temöte“, wenn man Unangenehmes erwartet). Es würden dadurch zudem der Kontakt zwischen den Generationen und der kulturelle Zusammenhalt in der Gesellschaft gestärkt werden.

Ein weiterer Vorschlag, den ich machen möchte, ist folgender: Es sollten Plattproater-Gruppen gegründet werden.

In der Grafschaft Bentheim gibt es bereits drei solcher Gruppen, und zwar zwei in Nordhorn und eine in Schüttorf. Von den beiden in Nordhorn trifft sich die eine im Mehrgenerationenhaus an der Schulstraße (Kontakt: Hannelore Zander, Jan Mülstegen), die andere beim Paritätischen Wohlfahrtsverband (Kontakt: J.-G. Raben, Elke Bremmer). Die Schüttorfer Gruppe trifft sich im Rahmen des Schüttorfer Heimatvereins (Kontakt: Armin Siemering).

Bei diesen Plattproater-Gruppen steht zumeist ein bestimmtes Thema bzw. ein Stück plattdeutscher Literatur (ein Gedicht, eine Erzählung, ein plattdeutscher Dichter) im Mittelpunkt. Das Thema wird von dem Leiter der Gruppe oder von einem Gruppenmitglied vorbereitet.

Es sollte in der Tat so sein, daß ein bestimmtes Thema im Mittelpunkt steht. Denn bloßes „Klönen“ (über „Gott und die Welt“ und über andere Leute)

ist meines Erachtens auf die Dauer unbefriedigend und bringt zudem für den Erhalt der plattdeutschen Sprache relativ wenig. Man tut für die plattdeutsche Sprache mehr, wenn man in solchen Gruppen auch einmal die plattdeutsche Sprache selbst(ihren Wortschatz, ihre Redensarten) thematisiert und sich mit Denkmälern der plattdeutschen Literatur beschäftigt.

Dennoch darf das „Klönen“ in solchen Gruppen durchaus einen breiten Raum einnehmen. Aber ein Gruppentreffen sollte nicht nur aus „Klönen“ bestehen.

 

Über den Autor:

Der Verfasser dieses Papiers, 1944 in Hilten bei Neuenhaus geboren, hat in Münster Anglistik und Germanistik studiert. Das Platt der Grafschaft Bentheim (speziell das Platt des Kirchspiels Veldhausen) spricht er seit seiner Kindheit. Der Landkreis Grafschaft Bentheim liegt im äußersten Westen Niedersachsens. Die Verwaltungsstadt des Kreises ist Nordhorn.

 

Hinweis: Da ich, soweit ich weiß, der erste bin, der die obigen zwei Thesen von der „möglichst großen Unähnlichkeit“ und dem „situativ-dosierten“ Gebrauch des Plattdeutschen in dieser Pointiertheit formuliert hat, wäre ich dankbar, wenn diese beiden Thesen in der wissenschaftlichen Diskussion der plattdeutschen Sprache hinfort als die „Raben-Thesen“ bezeichnet würden.